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VAGUSNERV - der vagabundierende Nerv


Entspannung
Entspannung

Der spaghettidünne Vagusnerv ist der 10. von insgesamt 12 Hirnnerven und trägt den Namen vagus (= umherschweifend oder vagabundierend). Denn er zieht wie ein Kabelstrang vom Gehirn bis weit in die Brust- und Bauchorgane.


Hier bildet er als einziger Hirnnerv ein weitverzweigtes, großflächiges Netzwerk vieler Nervenfasern. Alle anderen Hirnnerven sind nur relativ kurz und versorgen den Kopf- und Halsbereich (z. B. der Riechnerv, der Sehnerv oder der Gesichtsnerv).


Was ist der Vagusnerv?


Der Vagusnerv (Nervus vagus) ist ein zentraler Bestandteil des parasympathischen Nervensystems (Parasympathikus). Das ist jener Teil des autonomen Nervensystems, der für Ruhe, Entspannung und Stressregulation zuständig ist.


Der Vagusnerv – manchmal auch nur Vagus genannt – kümmert sich um sämtliche Körperfunktionen, die im Ruhemodus ablaufen, z. B. um eine gesunde Verdauung und einen erholsamen Schlaf. Denn bei Hektik und Stress wird nicht gut verdaut – und auch nicht gut geschlafen.


Der andere Teil des autonomen Nervensystems ist der Sympathikus – sozusagen der Gegenspieler des Parasympathikus (und des Vagusnervs).

Im sympathischen Nervensystem werden Körperfunktionen mobilisiert, die Aktivität ermöglichen – im Alltag und beim Sport. Bei Stress macht uns der Sympathikus fit für Kampf oder Flucht.


Was hat der Vagusnerv mit dem Darm zu tun?


Der Vagusnerv ist die wichtigste Nervenbahn der sogenannten Darm-Hirn-Achse. Der größte Teil seiner Fasern – rund 80 Prozent – übermittelt Informationen vom Bauch zum Gehirn: etwa, wie die Verdauung läuft, ob Entzündungen vorhanden sind oder wie es der Darmflora geht.


Lediglich 20 % sind Nervenfasern, die in die andere Richtung verlaufen und Signale vom Gehirn zu den Organen senden. Sie regulieren zum Beispiel den Herzschlag, die Atmung, die Verdauung und auch Immunreaktionen.


So entsteht ein ständiger Dialog zwischen Kopf und Bauch - das erklärt, warum Stress im Gehirn den Darm und die Verdauung beeinflusst. Und es erklärt, warum eine ungesunde Ernährung, eine gestörte Darmflora und eine durchlässige oder entzündete Darmschleimhaut Krankheiten im Nervensystem begünstigen können – ob Depressionen, Stimmungsschwankungen oder Parkinson.


Warum ist der Vagusnerv so wichtig?


In Biohacker- und Gesundheitskreisen erhält der Vagusnerv derzeit viel Aufmerksamkeit. Hier geht es nicht um die elektrische Stimulation des Vagusnervs. Man sucht hingegen natürliche und ganzheitliche Methoden, wie man den Nerv wieder aktivieren könnte.

Schließlich gilt er als Schlüssel für gute Entspannung und starke Resilienz. Resilienz bezeichnet die innere (psychische) Widerstandskraft eines Menschen. Je stärker die Resilienz, umso besser meistert man Krisen und Schicksalsschläge.


Ein gut funktionierender Vagusnerv sorgt also für innere Stabilität und schützt Sie vor den typischen stressbedingten Symptomen und Krankheiten.


Wie macht sich ein schwacher Vagusnerv bemerkbar?


Ein schwacher – also wenig aktiver – Vagusnerv kann die folgenden Beschwerden nach sich ziehen


Schon wenig Stress wirft aus der Bahn


Stressintoleranz und Erschöpfung sind häufige Folgen eines wenig aktiven Vagusnervs. Man erträgt Stress nur schlecht. Es fehlt an Resilienz (psychischer Abwehrkraft). Schon kleine Stressoren werfen einen aus der Bahn – und die Regeneration dauert viel länger als bei gesundem Vagus.


Schlechter Schlaf und Konzentrationsprobleme


Entsprechend schlecht und wenig erholsam ist der Schlaf. Schlafstörungen und infolgedessen Tagesmüdigkeit sind keine Seltenheit. Es kommt zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen („Brain Fog“).


Depression, Angst und Panikattacken


Stimmungsschwankungen treten auf – bis hin zu Antriebslosigkeit und allgemeiner psychischer Labilität. Depressionen können entstehen, aber auch Angstzustände und Panikattacken.


Reizdarm und häufige Infekte


Verdauungsprobleme bis hin zum Reizdarm sind ein sehr häufiges Symptom für einen schwachen Vagusnerv. Genauso eine erhöhte Infektanfälligkeit aufgrund eines geschwächten Immunsystems.


Verstärkte Schmerzempfindlichkeit


Ist der Vagus nur schwach, dann kann sich eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit einstellen. Dadurch verschlimmern sich Krankheiten, die mit chronischen Schmerzen einhergehen, z. B. Rheuma, Migräne und Nervenschmerzen.


Ein starker Vagus hingegen hemmt Schmerzen – und zwar über mehrere Mechanismen:

Er wirkt entzündungshemmend, bremst die Stressreaktion des Körpers und verändert die Art und Weise, wie Schmerzsignale im Gehirn verarbeitet werden. Dadurch können vor allem entzündlich bedingte Schmerzen (z. B. bei Rheuma) sowie stressbedingte Beschwerden wie Rückenschmerzen abgeschwächt werden.


Auch bei Migräne und Spannungskopfschmerzen spielt der Vagusnerv eine wichtige Rolle, da hier eine Überaktivität des autonomen Nervensystems beteiligt ist.


Bei Nervenschmerzen, etwa einer Polyneuropathie, sind die direkten Effekte zwar geringer, doch selbst hier kann die Schmerzwahrnehmung im Gehirn moduliert und damit das subjektive Schmerzempfinden beeinflusst werden.


Hormonelle Probleme


Auch hormonelle Dysbalancen treten bei geringer vagaler Aktivität auf. Denn Stresshormone beeinflussen andere Hormonkreislaufe, z. B. Sexualhormone.


Geringere Leistungsfähigkeit


Im Sport sinken Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Der Puls bleibt länger hoch.


Langfristig schwere Krankheiten


Langfristig können sich schwere Krankheiten, wie Herzrhythmusstörungen und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln. Sogar die Parkinson-Krankheit steht mit dem Vagus in Zusammenhang.


Was passiert bei Stress mit dem Vagusnerv?


In einer akuten Stressreaktion übernimmt der Sympathikus das Zepter. Das ist jener Teil des Nervensystems, das uns hilft, bedrohliche Situationen und Gefahren gesund und munter zu überstehen. Es wird auch als „Kampf-oder-Flucht-System“ bezeichnet.


Damit wir also „kämpfen oder fliehen“ können, beschleunigt der Sympathikus unseren Herzschlag, erhöht unseren Blutdruck und führt zur Ausschüttung von Stresshormonen.


Der Parasympathikus (und mit ihm der Vagusnerv) zieht sich zurück. Der vagale Einfluss wird heruntergeregelt. Denn der Körper kann jetzt Entspannung nicht gebrauchen. Er muss handlungsbereit und hellwach sein.


Was passiert nach dem Stress?


Ist alles überstanden, kommt der Parasympathikus – und damit der Vagusnerv – wieder ins Spiel. Die Herzfrequenz sinkt, die Atmung beruhigt sich, die Stresshormone werden weniger, die Verdauung setzt ein.


Was passiert bei chronischem Stress?


Wenn jemand im Dauerstress ist, dann dominiert das sympathische System pausenlos. Es kommt zu einer Art „Dauerdrosselung“ der Vagustätigkeit - das nennt man eine niedrige vagale Aktivität.

Der Vagus ist zwar nicht komplett „ausgeschaltet“, seine beruhigende Wirkung kommt aber nicht richtig durch, weil der Stressmotor ständig auf Vollgas läuft - die Bremse funktioniert kaum mehr.


Wie wirken Methoden zur Vagus-Aktivierung?


Methoden zur Aktivierung des Vagusnervs helfen, den Parasympathikus bewusst zu reaktivieren und das Gleichgewicht zwischen Stress- und Erholungsmodus wiederherzustellen. Der Vagusnerv wird trainiert und springt nach stressigen Phasen schneller und zuverlässig an.


Tut man nichts gegen den Dauerstress, kommt es zu gravierenden Folgen, die wir teilweise auch schon weiter oben genannt haben


Sinkende Herzfrequenzvariabilität (HRV), Verdauungsprobleme bis hin zum Reizdarm, erhöhte Entzündungsneigung, Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen, Infektanfälligkeit (geschwächtes Immunsystem), psychische Labilität bis hin zu Angstzuständen und Panikattacken sowie langfristig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Die Herzfrequenzvariabilität steht deshalb an erster Stelle, weil man sie dazu nutzen kann, den Zustand des Vagusnervs zu messen und zu beurteilen.


Was bedeutet Herzfrequenzvariabilität?


Die Herzfrequenzvariabilität ist ein allgemeiner Begriff für die Schwankung der RR-Intervalle (= Abstände zwischen den Herzschlägen). Sie wird mit HRV abgekürzt für engl. Heart Rate Variability.

Häufig liest man auch vmHRV (vagally mediated HRV). Das sind jene Anteile der HRV, die direkt vom Parasympathikus/Vagusnerv gesteuert werden und eine besonders genaue Beurteilung der Vagus-Aktivität erlauben. (Nicht verwechseln mit mvHRV, der durchschnittlichen HRV).


Bei akutem Stress und aktivem Sympathikus steigt die Herzfrequenz (HF). Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) aber sinkt, weil das Herz sehr „starr“ im Stressrhythmus schlägt.

Bei Entspannung und aktivem Parasympathikus (unter Einfluss des Vagusnervs) sinkt die Herzfrequenz. Aber die HRV steigt, weil der Herzrhythmus wieder flexibel auf Atmung und innere Signale reagiert.


Bei Dauerstress kommt es oft zu einer dauerhaft niedrigen HRV – ein Zeichen für ein überlastetes, „unflexibles“ autonomes Nervensystem. Menschen mit niedriger HRV sind anfälliger für Stressfolgen, Burnout, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Die HRV ist somit ein guter Marker für die Aktivität und Flexibilität des Vagusnervs – für die Regulationsfähigkeit des autonomen Nervensystem.


Beim Arzt wird sie nicht gemessen - daher misst man sie selbst.


Wie Sie Ihren Vagusnerv aktivieren können


Eine sinnvolle Herangehensweise zur Aktivierung des Vagusnervs besteht aus drei Bereichen.


Die Basis-Maßnahmen (Bewegung, Ernährung, Schlaf und soziale Interaktionen), die spezifischen Maßnahmen (sowohl solche, die langfristig den Vagus trainieren, als auch Sofortmaßnahmen für den Notfall (Herzrasen, Unruhe, Angst, Panik, Schmerz)) und die passenden Nahrungsergänzungen.


Die Basis-Maßnahmen für den Vagusnerv


Wer schon ganzheitlich gesund lebt, tut seinem Vagusnerv automatisch sehr viel Gutes. Denn die typischen Maßnahmen eines gesunden Lebens- und Ernährungsstils aktivieren oder stabilisieren die vagale Aktivität bereits sehr gut.


Bewegung


Beim Sport dominiert zunächst der Sympathikus. Der Herzschlag ist hoch, die Atmung schnell, der Blutdruck steigt. Der Vagusnerv tritt in den Hintergrund, damit der Körper Leistung bringen kann.

Nach dem Training erholt sich der Körper. Der Parasympathikus und damit der Vagus schalten sich ein. Das Training wirkt wie ein Impuls, der anschließend zu einer stärkeren parasympathischen Aktivität in Ruhe führt.


Besonders Ausdauertraining (z. B. Joggen, Radfahren, Schwimmen) steigert langfristig die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und damit die Stärke des Vagusnervs.


Ohne regelmäßige körperliche Aktivität bleibt das autonome Nervensystem „träge“. Sympathikus und Parasympathikus werden nicht flexibel trainiert. Die Folgen sind eine geringere HRV, eine schwächere Stressregulation und ein Vagusnerv, der weniger anpassungsfähig ist.


Wenn Sie generell nicht so gerne Sport machen, sind auch langsame Bewegungsformen hilfreich. Sie sind zwar nicht so wirksam wie Ausdauersport. Doch gilt: Besser überhaupt bewegen als gar nicht!


Wichtig ist Bewegung und gleichmäßige Atmung zu kombinieren.


Guter Schlaf


Ausreichender und regelmäßiger Schlaf ist eine der wichtigsten Grundlagen für einen gesunden Vagusnerv. Gerade während der Tiefschlafphasen dominiert der Parasympathikus und sorgt für eine gute Erholung des Nervensystems.


Chronischer Schlafmangel dagegen führt zu einer dauerhaften Aktivierung des Sympathikus, erhöht Stresshormone wie Cortisol und senkt die Herzratenvariabilität.


Wichtig ist daher, zu festen Zeiten ins Bett zu gehen und ausreichend lange zu schlafen. Damit unterstützen Sie nicht nur Ihre Erholung und Regeneration, sondern auch Ihre vagale Balance, was langfristig die Stressresilienz erhöht.


Gesunde Ernährung


Auch die Ernährung hat einen engen Bezug zum Vagusnerv, insbesondere über die Darm-Hirn-Achse. Eine ballaststoffreiche, überwiegend pflanzliche Kost fördert eine vielfältige und stabile Darmflora.


Die dabei entstehenden Stoffwechselprodukte – etwa kurzkettige Fettsäuren – können über das enterische Nervensystem und den Vagusnerv direkt auf das Gehirn wirken.


Eine gesunde Ernährung beeinflusst über die Darmflora und den Vagusnerv sodann auch die Stimmung und Stressverarbeitung.


Ungesunde Ernährung mit viel Zucker, Fett und stark verarbeiteten Produkten hingegen begünstigt Entzündungen im Darm, schwächt die Barrierefunktion der Darmschleimhaut und kann über den Vagusnerv negative Rückwirkungen auf das zentrale Nervensystem haben.


Soziale Interaktionen


Der Vagusnerv reagiert auch auf das Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit mit anderen Menschen. Er ist eng mit der Regulation von Mimik, Stimme und Kommunikation verschaltet. Wenn wir uns in Gesellschaft wohlfühlen, aktiviert genau dieser Zweig des Vagus das „soziale Beruhigungssystem“.


Dies können freundliche Gespräche sein, bei denen wir Blickkontakt halten, gemeinsames Lachen oder Singen, Umarmungen oder andere Formen achtsamer, angenehmer Berührung oder auch einfach die Zugehörigkeit in einer Gruppe erleben, sei es beim Essen, Sport oder gemeinsamer Aktivität.


Studien zeigen, dass Menschen in positiven sozialen Kontakten messbar eine höhere Herzratenvariabilität (HRV) haben – also einen besseren vagalen Tonus. Soziale Isolation hingegen senkt die vagale Aktivität und erhöht Stresshormone.


Beziehung zu Tieren


Beziehungen zu Tieren wirken ähnlich auf den Vagusnerv wie soziale Interaktionen mit Menschen. Beim Streicheln einer Katze oder beim Kuscheln mit einem Hund werden über die Haut Mechanorezeptoren stimuliert, das beruhigt das Nervensystem und aktiviert den Vagus.


Das Schnurren einer Katze oder die ruhige Atmung eines Hundes können sogar ähnlich wie Summen oder Tönen wirken. Gleichzeitig kommt es zur Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin (genau wie beim Kuscheln mit Menschen), das ebenfalls die vagale Aktivität verstärkt und Stresshormone senkt.

Haustierbesitzer haben laut Studien daher deutlich höhere HRV-Werte, was auf eine bessere Vagus-Balance hinweist.


Die spezifischen Methoden zur Aktivierung des Vagusnervs


Es gibt aber auch gezielte Maßnahmen und Übungen, die nachweislich die vagale Aktivität steigern können. Dazu gehören die folgenden.


Atemtechniken


Bei Atemtechniken, die den Vagus stimulieren, wird langsam und tief geatmet – maximal 6-7 Atemzüge pro Minute, wobei die Ausatmung länger ist als die Einatmung.


In einer Studie von 2021 zeigte schon eine einzige fünfminütige Session tiefer und langsamer Bauchatmung eine Aktivierung der parasympathischen Aktivität. Dies besserte die Angstzustände der Teilnehmer merklich.


Weitere Studien bestätigen dies, etwa ein Review von Bentley et al. aus 2023. Dieser ergab, dass Atemübungen den parasympathischen Tonus erhöhen und damit einen wirksamen Gegenspieler zur sympathischen Übererregung darstellen – insbesondere bei Stress und Angstzuständen.


Summen


Da der Vagusnerv auch die Kehlkopfmuskulatur innerviert, wirken Schwingungen durch einfaches Summen stimulierend auf ihn. Das bekannteste Beispiel ist das OM aus dem Yoga, mit dem sich hervorragend der Vagus aktivieren lässt.


Sie können aber auch ganz normal einatmen und bei jedem Ausatmen einen summenden oder brummenden Ton bei geschlossenen Lippen von sich geben. Der Ton muss nicht laut sein und auch nicht übertrieben lang. Die Sache sollte ja Entspannung bringen, also ohne Druck oder Anspannung erfolgen.


Rotlicht-Therapie


Die Rotlicht-Therapie kann bei sehr vielen Gesundheitsproblemen eingesetzt werden – und so auch bei einem wenig aktiven Vagusnerv.


In einer Übersichtsarbeit vom Herbst 2025 wertete man 25 Studien aus, in denen die Wirkung von Rotlicht und Blaulicht auf die Aktivität des Vagusnervs untersucht wurde. Als Messwert wurde die mvHRV genutzt (die durchschnittliche HRV).


Rotlicht aktivierte den Vagus, während blaues Licht den Sympathikus (Stressmodus) aktivierte. Rotlicht mit einer Wellenlänge von 630 bis 660 nm erhöhte die vmHRV – das Herz entspannte sich, Erholung setzte ein. Bei Blaulicht sank die vmHRV, was auf Stressreaktionen im Körper hinwies.


Meditation und Achtsamkeit


Meditation und achtsame Selbstwahrnehmung gehören zu den am besten untersuchten Methoden, um das autonome Nervensystem in Balance zu bringen. Sie reduzieren die Übererregung des Sympathikus und fördern gleichzeitig die Aktivität des Parasympathikus.

Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Meditation die Aktivität in Hirnregionen verändert, die eng mit dem Vagusnerv verschaltet sind,

Regelmäßige Praxis z. B. der Herzrhythmusmeditation führt dazu, dass der Herzschlag ruhiger und die Herzratenvariabilität steigt – ein Zeichen für eine stärkere Aktivität des Vagus. Auch Stresshormone wie Cortisol sinken, während das Gefühl innerer Ruhe zunimmt.


Schnuller-Übung


Babys erhalten zur Beruhigung einen Schnuller. Das klappt deshalb so gut, weil der Vagus auf diese Weise stimuliert wird. Nach demselben Prinzip funktioniert das Daumenlutschen.

Es gibt noch eine weitere Alternative: Die Zunge rhythmisch an den Gaumen drücken als hätten Sie einen Schnuller oder Daumen im Mund.


Der Vagus ist über den Nervus glossopharyngeus (Zungen-Rachen-Nerv) und den Nervus trigeminus mit Mund- und Gaumenstrukturen verschaltet. Rhythmische Zungenbewegungen können daher indirekt die parasympathische Aktivität beeinflussen.


Gesicht in kaltes Wasser tauchen


Diese Methode zählt zu den Sofortmaßnahmen. Sie ist eine der einfachsten und effektivsten, um den Vagusnerv spontan zu aktivieren. Dazu taucht man einfach für 15 bis 30 Sekunden das Gesicht in eine Schüssel mit kaltem Wasser. Stirn, Augen und Wangen sollten bedeckt sein.

Dabei wird automatisch die Luft angehalten. Genau diese Kombination aus Kältereiz und Atemstillstand löst den sogenannten Tauchreflex aus. Kälterezeptoren im Bereich von Stirn, Augen und Wangen leiten dabei Signale über den Trigeminusnerv an den Hirnstamm weiter. Dort wird unmittelbar der Vagusnerv aktiviert:


Der Herzschlag verlangsamt sich, die Atmung wird ruhiger und der Körper schaltet auf einen energiesparenden, parasympathisch dominierten Zustand.

Schon eine einzige Anwendung kann den Herzschlag spürbar senken und für Ruhe sorgen. Reicht eine Anwendung nicht, dann nach 1 bis 2 Minuten wiederholen.

Alternativ lässt sich eine kalte Kompresse oder ein in ein Tuch gewickeltes Kühlpad für eine halbe bis ganze Minute auf das Gesicht legen.

Beide Varianten sind alltagstauglich und helfen, den Vagusnerv unmittelbar anzusprechen – ob zur Stressreduktion, Migränebeginn, Herzklopfen, bei aufkommender Unruhe oder beginnenden Kopfschmerzen.


Augenübung


Halten Sie sich Ihren Zeigefinger vors Gesicht. Führen Sie ihn nun langsam weg vom Gesicht, dann wieder näher heran – und folgen mit den Augen stets dem Finger.


Durch die rhythmischen und sanften Augenbewegungen bei gleichzeitigem Fokus auf den Finger wird der Vagus aktiviert – und der Mensch beruhigt und entspannt sich.


Die Übung kommt aus der Traumatherapie. Dort wird gelegentlich das sogenannte EMDR angewandt (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) – eine Methode, die Stress und Übererregung reduziert.


Akupressur


Bei Stress, Nervosität oder Einschlafproblemen können Sie sich mit einer Ohrakupressur behelfen.

Die vagalen Fasern im Ohr liegen in der Vertiefung direkt vor dem Gehörgang, der sogenannten Concha. Dort kann man mit der Fingerkuppe sanften Druck ausüben oder kleine kreisende Bewegungen machen.


Auch der Tragus – das kleine Knorpelstück, das wie ein Deckelchen den Gehörgang teilweise verdeckt – ist ein Punkt, der mit dem Vagus verbunden ist und sanft massiert werden kann.

1–2 Minuten reichen oft, um einen beruhigenden Effekt zu erzielen.


Massagen


Massagen sind weit mehr als nur eine mechanische Behandlung der Muskulatur. Sie wirken direkt auf das autonome Nervensystem – und damit auch auf den Vagusnerv.


Über die Haut und die darunterliegenden Mechanorezeptoren werden Reize an das Rückenmark und den Hirnstamm weitergeleitet. Von dort können parasympathische Reflexe ausgelöst werden, die Herzschlag und Atmung beruhigen.


Sie müssen sich dabei nicht massieren lassen, auch eine Bauchmassage, die man sich selbst gibt, ist sehr wirkungsvoll. Denn der Vagusnerv versorgt große Teile des Verdauungstrakts.


Durch sanfte, kreisende Bewegungen rund um den Bauchnabel wird nicht nur die Verdauung angeregt, sondern auch die vagale Aktivität gesteigert.


Natürlich können Sie sich auch eine Nacken- oder Fußreflexzonenmassage verabreichen lassen. Auch hier erhöht sich die HRV und der Vagus wird gestärkt.


Nahrungsergänzungsmittel für den Vagusnerv


Direkte „Vagusnerv-Pillen“ gibt es leider nicht. Wichtig ist jedoch, dass Sie natürlich mit allen Nährstoffen gut versorgt sein sollten. Denn wenn Mängel vorliegen, leidet auch der Vagusnerv.

Wenn Sie also spüren, dass Ihr Nervensystem aus dem Gleichgewicht ist, überprüfen Sie, ob Sie gut mit Vitamin D, Vitamin C und den Vitaminen des B-Komplexes versorgt sind. Auch Magnesium, Zink und Omega-3-Fettsäuren sind essenziell.


Gerade Omega-3-Fettsäuren scheinen sich auch direkt stärkend auf den Vagusnerv auszuwirken


Omega-3-Fettsäuren


Omega-3-Fettsäuren hemmen die Bildung entzündungsfördernder Zytokine (z. B. TNF-α, IL-6). Gleichzeitig fördern sie die Bildung entzündungshemmender Stoffe (Resolvine und Protectine, die Entzündungsreaktionen aktiv beenden).

Dies gilt vor allem für die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA (z. B. aus Algenöl), aber auch für die Alpha-Linolensäure aus z. B. Hanf- und Leinöl).

Weniger Entzündung führt zu einer geringeren Aktivierung des Sympathikus und fördert somit die Balance im autonomen Nervensystem.


Tier- und Humanstudien zeigen teilweise, dass eine gute Versorgung mit Omega-3 die Herzfrequenzvariabilität (HRV) erhöht, also den Marker für die Vagus-Aktivität.

In einer Studie von 2018 beispielsweise besserte die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren (520 mg pro Tag) nach 3 Monaten die HRV bei Kindern. Die Omega-3-Fettsäuren wirkten also direkt auf das autonome Nervensystem und die vagale Regulation.


Probiotika


Probiotika (lebende Darmbakterien) verbessern die Darmgesundheit und helfen bei der Sanierung der Darmflora. Wie oben beim Thema Darm-Hirn-Achse erklärt, steht der Vagusnerv direkt mit dem Darm in Verbindung. Er sendet ständig Informationen aus dem Verdauungssystem ans Gehirn.

Je gesünder die Darmflora und der Darm, umso stärker die positiven Signale an den Vagusnerv – und damit an Ihr Gehirn: für mehr Resilienz, bessere Stressregulation und mehr Wohlbefinden.


Wie misst man die HRV?


Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten, im Alltag die persönliche HRV – also den Marker für die Aktivität Ihres Vagusnervs – zu kontrollieren und über einen längeren Zeitraum ihren Verlauf zu dokumentieren. Dies ist umso spannender, wenn Sie z. B. ab sofort gesünder leben oder auch nur einzelne Maßnahmen zur Aktivierung Ihres Vagusnervs umsetzen.

Fitnessuhren und besonders gut Brustgurte können heute mit ihren Sensoren die Abstände zwischen den Herzschlägen (RR-Intervalle) erfassen.


Diese Abstände ändern sich ständig (mal 950 ms, dann 1020 ms, dann 980 ms …). Die Änderungen sind das Ergebnis der abwechselnden Aktivität von Sympathikus und Parasympathikus.

Je größer und dynamischer die Unterschiede, desto aktiver der Vagusnerv und umso höher die HRV. Letztere wird von den Geräten nicht angezeigt. Dazu braucht es die passenden Apps.

Diese rechnen aus den RR-Intervallen die HRV-Werte aus (RMSSD und HF-Power – siehe nächster Abschnitt). Die Werte sind zwar nicht klinisch-exakt, aber für den Alltagstrend gut genug ist, um Resilienz, Stress und Trainingserfolge zu überprüfen.


Entscheidend ist, dass man nicht absolute Zahlen zwischen Geräten oder Personen vergleicht, sondern den Verlauf bei sich selbst dokumentiert – und das über Tage und Wochen – und dann auswertet.


Was bedeuten RMSSD und HF-Power?


RMSSD (Root Mean Square of Successive Differences) ist die Kennzahl für die Unterschiede zwischen den aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Sie zeigt sehr zuverlässig die Aktivität des Vagusnervs und eignet sich besonders für kurze Messungen im Alltag. Die Einheit ist ms, also Millisekunden.


HF-Power (High Frequency Power) ist der Anteil der HRV im sogenannten Hochfrequenzbereich, der eng mit der Atmung verbunden ist. Er spiegelt die Atem-Herz-Kopplung wider, die direkt vom Vagusnerv gesteuert wird. Die Einheit ist ms 2.


Je höher RMSSD und HF-Power, desto aktiver der Vagusnerv. Doch ist nicht der einzelne Wert entscheidend, sondern ob Ihre Werte im Verlauf eher hoch/stabil bleiben oder auffällig sinken.


Welche Geräte eignen sich?


Inzwischen gibt es zahllose Geräte (Wearables), die Körperfunktionen tracken: Fitnessuhren, Smartwatches, Brustgurte, Fitnessringe etc. Zur Messung der HRV aber und damit zur Erfassung der Vagus-Aktivität sind Brustgurte am genausten. Fitnessuhren etc. sind zwar im Alltag praktischer, aber weniger exakt.


Brustgurte, wie z. B. der * Polar H10, sind der Goldstandard in Sport und Forschung, weil sie die RR-Intervalle direkt über Elektroden messen (wie beim EKG).

Die vom Hersteller mitgelieferten Basis-Apps reichen häufig nicht aus, um die HRV-Werte zu berechnen. Nutzen Sie daher umfangreichere Apps, z. B. Elite HRV, damit die Rohdaten des Brustgurts (RR-Intervalle) auch in die HRV-Werte (RMSSD und HF-Power) umgerechnet werden können.


Worauf Sie bei der Messung achten sollten


Damit Ihre Messungen auch aussagekräftig sind, hier einige Tipps dazu, wie Sie richtig messen:

Messen Sie regelmäßig – am besten täglich zur gleichen Zeit (z. B. morgens nach dem Aufwachen; noch im Liegen).


Messen Sie nicht direkt nach Kaffee- oder Alkoholkonsum, auch nicht nach dem Sport oder wenn Sie sich gerade aufgeregt haben. Dies alles verzerrt Ihre Werte.


Messen Sie immer mit demselben Gerät!


Beobachten Sie die Entwicklung über Wochen, einzelne Werte sind also nicht entscheidend. Nicht auf eine einzelne Zahl achten („Heute 48 ms, gestern 55 ms“), sondern den Verlauf über mehrere Tage/Wochen. Denn es ist absolut normal, dass die HRV täglich stark schwankt.

Jeder Mensch hat andere „Normalwerte“. Vergleichen Sie Ihre Werte also nicht mit den Werten anderer Leute.


Was bedeuten die HRV-Werte?


Wenn Sie nun einige Wochen lang Maßnahmen zur Aktivierung Ihres Vagusnervs umgesetzt haben und währenddessen Ihre HRV-Werte gemessen haben, was zeigen die Ergebnisse?


Was bedeutet eine hohe HRV?


Steigende und damit hohe HRV-Werte bedeuten: Der Vagus ist aktiv, das Herz flexibel und der Körper anpassungsfähig. Die Regeneration verläuft gut, die Abwehrkraft ist stark und es liegt eine hohe Stressresilienz vor. Ihre Maßnahmen sind erfolgreich! Sehr gut!


Was bedeutet eine niedrige HRV?


Sinkende oder dauerhaft niedrige HRV-Werte bedeuten: Der Vagus ist gedämpft, der Sympathikus dominiert. Das autonome Nervensystem ist nicht im Gleichgewicht. Die Stressresilienz ist niedrig und der Körper anfällig für Erkrankungen.


Wenn Ihre HRV höher war und nun sinkt, kann das auf Überforderung oder auch Übertraining hinweisen. Überprüfen Sie Ihre Maßnahmen und passen Sie diese noch einmal an.


Welche Werte sind hoch, welche niedrig?


HRV-Werte werden meist in Millisekunden (ms) angegeben. Junge, fitte Menschen erreichen oft Werte von 50 ms und mehr. In der Allgemeinbevölkerung liegen sie eher bei 20–50 ms, bei älteren oder kranken Menschen auch darunter.


Als Faustregel gilt: über 50 ms = sehr gut, 30–50 ms = durchschnittlich, unter 30 ms = niedrig.

Aber noch wichtiger als der Vergleich mit bestimmten „Normwerten“ ist Ihre persönliche Entwicklung: Steigen Ihre Werte über die Wochen, ist das ein gutes Zeichen für mehr Vagus-Aktivität und Resilienz.“


Fazit: Vagusnerv aktivieren – und endlich richtig entspannen


Für ein ausgeglichenes Nervensystem lässt sich also sehr viel tun. Besonders wichtig dabei ist ein aktiver und flexibler Vagusnerv, der nach jeder stressigen Situation wieder zuverlässig anspringt.

Das Ziel ist somit nicht die permanente Entspannung, sondern die Fähigkeit, schnell von Anspannung auf Entspannung umzuschalten. Auf diese Weise erreicht man in allen Bereichen eine bestmögliche Leistung:


Im Sport ist man erfolgreich, bei Stress agiert man konzentriert und zielsicher und in Ruhephasen kann man tief entspannen und sich umfassend erholen. Man fühlt sich seelisch ausgeglichen und lässt sich von Tiefschlägen nicht gleich unterkriegen.

 
 
 

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